Social Design & Social Impact Metrics
Was ist eigentlich der Unterschied? Gibt es Tools und Ressourcen für Social Impact Metrics?
Unser Workshop über Social Impact Design wurde von uns, Julia und Jolanta, aus der Praxis dokumentiert, das im Rahmen des Seminars “Measuring Design” mit Prof. Reto Wettach an der Fachhochschule Potsdam durchgeführt wurde. Es stellt eine vertiefende Auseinandersetzung mit den zentralen Themen des Measuring Design oder Measuring Design Impact aus unterschiedlichen Perspektiven dar.
Social Design spielt eine zentrale und wichtige Rolle, weil wir für Menschen designen.
Die in jüngster Zeit besonders stark thematisierten Aspekte des Gesellschaft durch Design beschäftigen sich mit Feminismus, Black Lives Matter(BLM)-Bewegung, Disability Community. Die Menschen werden immer selbstbewusster und vielfältiger. Was wir zunehmend in der Gesellschaft beobachten können. Dieser Entwicklung kann sich das Designen nicht entziehen. Die Designwelt muss sich mit den gesellschaftlichn Entwicklungen auseinandersetzen und sich diesen im Design anpassen.
Zu Beginn des Workshops wurde von den Teilnehmenden folgende Frage gepostet: “Feminismus und Measuring Design. Was trauen wir uns als Designerinnnen.” Für uns als Workshopleitende zeigt dies eine wichtige Frage auf: Wie mutig können wir in unserem Design sein bzw. wie weit können wir mit unseren Vorstellungen und unserem Design gehen? Und im Wesentlichen auch: Wie können wir dies messbar machen?
Bei unser Recherchearbeit für gute und praktikable Messinstrumente, wurde uns klar, dass wir uns hauptsächlich mit zwei Themen auseinandersetzen müssen: zum Einen das Messen von Social Design und zum Anderen das Messbar machen von Social Impact Design. leider war das Ergebnis sehr ernüchternd — es gibt wenige gute, zugängliche Quellen zu diesem Thema.
Unser Workshop legt seinen Schwerpunkt daher zum einen darauf, was bedeutet Social Design und zum Anderen, wie kann man Social Impact Design messen bzw. ist dies überhaupt möglich.
Im Folgenden dokumentieren wir die einzelnen Schritte des Workshops.
Zu Beginn war es uns wichtig zu erfahren, was die Teilnehmenden bereits zu diesem Thema wissen. Wir wollen uns so dem Thema Social Design nähern, in dem wir gemeinsam anhand von eigenen Erfahrungen der Teilnehmenden, dessen Rolle diskutieren.
Was ist Social Design für dich? oder
Welche Rolle spielst du als Designer*in?
Eine einfache und interessante Auffassung von Social Design beschreibt Madelaine Berlis Feenstra, die verschiedene Bücher und Artikel zum Thema Social Design zusammengetragen hat, und alle wichtigen Schlagworte zusammenstellte (s. obige Visualisierung). Durch die Teilnehmenden wurde diese Graphik durch weitere Aspekte ergänzt: Empowering Design, Inconvenient Design und Dystopic Design
Als Ergebnis dieses Schrittes lässt sich festhalten, dass die verschiedenen Ansätze und Andeutungen von Social Design inhaltlich oft eng zusammenhängen — dies deuten wir als einen wesentlichen Aspekt von Social Design.
Einleitung Social Design
Social Design trennt den Prozess des Designs von den Artefakten, die dieses hervorbringt, und wendet ihn auf komplexe soziale Herausforderungen im Systemmaßstab an. Social Design ist die Schaffung neuer sozialer Bedingungen in Städten, Unternehmenskulturen, Gemeinden oder Teams mit den beabsichtigten Ergebnissen eines tieferen bürgerlichen oder kulturellen Engagements, erhöhter Kreativität, Widerstandsfähigkeit, Gleichheit, sozialer Gerechtigkeit und menschlicher Gesundheit.
Social Design ist der Versuch, dem gerecht zu werden, so dass alles von allen Menschen genutzt werden kann, um effektiv, effizient, zufriedenstellend, nachhaltig zu erreichen. Es wird ersichtlich, wie wichtig es ist, wenn man für Menschen gestalten, mit seiner Verantwortung bewusst umzugehen, da Designer*innen und Unternehmen haben beiden großen Einfluss darauf.
Untermauert wird dies durch die Sichtweisen der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) sowie der Behörde der Vereinten Nationen (UN), die sich für die Erhaltung der Menschenrechte jedes Einzelnen einsetzen.
Kurz und knapp:
- Social Design ist ein Ethos zur Nutzung von Problemlösungen und Design Thinking für soziale Veränderungen
- Social Design unterstützt Designer, die durch Gemeinschaftsprojekte eine katalytische Rolle spielen und einen positiven sozialen Einfluss erzielen
- Social Design als Überbegriff stellt eine Designhaltung dar, in der man soziale Verantwortung anerkennt für die Bedürfnisse aller Menschen und deren Erwartungen
Social Impact Metrics: Gesellschaftliche (Aus-) Wirkungen messen
Der wirtschaftliche Erfolg eines Produkts lässt sich relativ verlässlich mit Business Metrics messen, auch die User Experience eines Service kann durch Experience-based Metrics zuverlässig ausgewertet werden. Schwierig wird es, wenn die gesellschaftlichen und sozialen (Aus-)Wirkungen eines Produkt gemessen werden sollen. Zuverlässige, handlungsfähige und praktikable Frameworks zur Messung des Social Impact, so genannte Social Impact Metrics, sind oft schwer umsetzbar.
Warum ist das so?
- Den Social Impact zu messen, ist aufwendig, da die Auswirkungen oft zeitlich stark versetzt auftreten (z.B. neue Gewohnheiten ausprägen, zeitversetzter Bildungserfolg)
- Der Social Impact ist häufig unsichtbar und tritt außerhalb unserer Wahrnehmung bzw. unseres Blickfelds als Designerinnen und Developerinnen auf
- Den Social Impact zu messen, ist schwierig, weil wenige greifbare und auswertbare Messwerte existieren (im Gegensatz zu z.B. Business Metrics)
- Der Social Impact eines sich ständig verändernden Produkts ist schwer zu messen, da Ursache und Wirkung teilweise nur schwer oder zeitverzögert festgestellt werden können
Welche Frameworks existieren?
Iceberg Canvas
- Ziel: Lernen bei der Produktentwicklung auf System-Level (Gesellschaft, Technologie, Umwelt, Ökonomie, Politik) zu denken
- Werkzeug: Basierend auf dem Standard Value Proposition Canvas die (eigenen) Wert-/Leistunsversprechen überdenken
Tarot Cards of Tech
- Ziel: Bewusstsein für Technologiefolgen stärken und Möglichkeiten für positive Veränderungen erkennen
- Werkzeug: Karten-Set mit provokativen Fragen als Beginn eines Brainstormings
Value Sensitive Design (VSD)
- Ziel: (mit-)menschliche Werte prinzipiell und umfassend berücksichtigen
- Werkzeug: Theoretischer Ansatz bzw. Mindset (ähnl. User-centered Design)
Ethics for Designers Toolkit
- Ziel: Ethik in den Designprozess integrieren
- Werkzeug: Toolkit mit prozessbegleitenden Guidelines
Ethical OS toolkit
- Ziel: Acht Aspekte von Technologiefolgen des eigenen Produkts abschätzen
- Werkzeug: 14 Szenarien, eine Checkliste, sieben Strategien
Literatur-Tipps und Tools
Unser Workshop Social Design und Social Impact Design bietet einen anderen Blick auf das Thema.
Literaturen
Die neue Norm
Dort schreiben Kolumnist*innen aus ihrer Lebenserfahrung mit Behinderung, mit Barrieren und ihrem Interesse an unterschiedlichen Bereichen, so dass das Verständnis und Bewusstsein dafür geschärft wird. Die Kolumnen wurden regelmäßig veröffentlicht.
Unsichtbare Frauen
Mit dem Buch “Unsichtbare Frauen: Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert” hat die Autorin Caroline Cridao-Perez einen kraftvolles und eindrucksvolles Plädoyer für Gleichberechtigung über den Gender Data Gap in unterschiedlichen Bereichen für die Buchreihe geschaffen, wie dieses System in unserer Gesellschaft funktioniert und wie ungerecht die männliche Welt mit Frauen umgeht.
Disability Visibility
Alice Wong ist eine Aktivistin der Behindertenbewegung aus den USA. Sie rief im Jahr 2014 das Disability Visibility Project in der Online-Community ins Leben, das persönliche Erzählungen von Menschen mit Behinderungen in den USA sammelt. Ihr Buch “Disability Visibility” wurde im Jahr 2020 veröffentlicht. Es handelt sich um eine inklusive, kraftvolle und wichtige Sammlung persönlicher Geschichten von Menschen mit einer Vielzahl von Behinderungen. Das Buch macht aufmerksam auf individuelle Probleme mit Barrieren. Dies soll das Verständnis und somit das Bewusstsein erweitern. Weitere Aspekte zeigen die Barrieren in der Gesellschaft.
Social Design — Gestalten für Transformation der Gesellschaft
Das Buch Social Design — Gestalten für die Transformation der Gesellschaft behandelt die Frage, ob man die Gesellschaft durch Gestaltung verändern kann, welche Möglichkeiten Designer haben und welche Verantwortung sie dabei tragen. Wie sieht es mit der zukünftigen Haltung von Designer*innen aus?
Inklusion als Entwurf: Teilhabeorientierte Forschung über, für und durch Design
Tom Bieling forscht und lehrt am Zentrum für Designforschung und leitet das Forschungscluster Social Design. Er hat das Buch “Inklusion als Entwurf” geschrieben, wo er vielfache Beispiele für Berührungspunkte zwischen Design und Inklusion anführt. Wo sie einander bedingen, ergeben sich neue Tätigkeitsfelder insbesondere für Designer.
- Design für In- und Exklusion
- Inklusion und Design für ein tiefgreifendes Designverständnis
- Sozialverantwortliche Entwicklung von Design
Tools und Ressourcen
Sim Daltonism
Aus der Sicht von Personen mit Farbfehlsichtigkeiten sind einige Farben nicht oder kaum zu unterscheiden. Die macOS-App Sim Daltonism ermöglicht es Designer:innen und Developer:innen, Farben so zu darzustellen, wie sie bei verschiedenen Arten von Farbfehlsichtigkeit wahrgenommen werden. So lässt sich das Farbschema von Websites und User Interfaces auf seine Barrierefreiheit überprüfen und besser zu verstehen, wie verschiedene Arten von Farbfehlsichtigkeit die Farbwahrnehmung beeinflussen.
Leserlich.info
leserlich.info befasst sich mit Kommunikationsdesign für Menschen mit und ohne Sehbehinderung. Die Empfehlungen der Website wurden im Rahmen des Projektes »Inklusives Design« des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV) entwickelt und von Spezialist:innen für Typografie und Sehbehinderungen evaluiert. leserlich.info bietet damit eine konkrete, praxisnahe Arbeitshilfe für Designer:innen, Mediengestalter:innen, Developer:innen und interessierte Laien an.
Pika
Die Colorpicker-App Pika für MacOS von Charlie Gleason hilft nicht nur dabei Farbwerte auf dem Bildschirm schnell zu finden, sondern überprüft auch, ob das Farbkontrastverhältnis nach den WCAG-Maßstäben barrierefrei ist. Das Open-Source-Projekt greift dabei auf ein Rating-System zurück, das von AA (ausreichend) bis AAA+ (sehr gut) reicht. Ergänzend zum konkreten Kontrastverhältnis hilft diese Angabe Designer:innen und Developer:innen dabei auf einen Blick ihre Farbkombinationen zu bewerten und zu optimieren.
GitHub Web Accessibility Collection
Die GitHub Collection zum Thema Web Accessibility richtet sich vor allem an Frontend-Developer:innen und stellt eine umfangreiche, handkuratierte Liste von Werkzeugen vor, die die Entwicklung barrierefreier Web-Projekte ermöglichen, erleichtern oder unterstützen.
SQAT
SQAT (Sign Question and Answer Tool) ist ein Dienst des deutschen Übersetzungsbüros Yomma, der einen Übersetzungsservice zwischen Schrift- und Gebärdensprache für hörbehinderte bzw. taube Nutzer*innen anbietet. Mit SQAT haben hörbehinderte oder taube Nutzer*innen einer Website die Möglichkeit mit dem Betreiber einer Webseite, z.B. mit den Services oder Ämtern, barrierefrei zu kommunizieren. Webseiten müssen dafür vorab vom Anbieter mit einem sogenannten “SQAT-Button” ausgestattet werden, der auf den SQAT-Service hinweist, und macht so in wenigen Schritten eine Anfrage in Gebärdensprache möglich. Die Nutzung ist dann ohne Registrierung möglich.
Bisher wird SQAT u.a. von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Menschen mit Behinderungen und dem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung und der Teekampagne angeboten.
a11yressources
a11yressources ist ein Projekt von Hannah Milan bei dem sie über 200 Accessibility-Tools und Ressourcen zusammengetragen hat. Die Liste wird ständig erweitert und umfasst aktuell mehr als 20 Kategorien zu verschiedenen Themenbereiche wie Developer:innen Tools, Barrierefreiheits-Checklisten, Buch-Tipps, Case Studies und Guidelines. Designer:innen und Developer:innen finden hier eine umfassende Informationsquelle, um barrierefreie Web- und App-Projekte zu gestalten, umzusetzen und zu starten.
Microsoft Inclusive Design Kit
Das Microsoft Inclusive Design Kit stellt von Microsoft entwickelte Design-Prinzipien zur Einbindung jeglicher menschlicher Vielfalt in den Designprozess vor. Ziel ist es, Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven einzubeziehen und von ihnen zu lernen. Das Kit aus mehreren Booklets, die beim Onboarding helfen, einen Einblick in die Arbeitsweise des Microsoft Designteams geben und eine Hilfestellung für die barrierefreie Design-Anpassungen anbieten. Das Herzstück bilden die Activity und Support Cards, sie können in den Designprozess integriert werden und helfen Design-Konzepte aus einer inklusiven Perspektive zu testen.
Wie können wir Social Design in unser Community einsetzen?
Jolanta: In London habe ich beim Besuch des Design-Museums im Jahr 2018 folgendes Zitat von Jaguar Land Rover entdeckt: „Design is a process carried out by people, for people. At its heart it is a dialogue between three key people: the designer, the maker and the user.“ Dieser Aussage wird zugestimmt, denn es wird ersichtlich, wie wichtig es ist, bewusst in den Dialog zu treten, wenn wir für Menschen gestalten.